Allein? Vielleicht gerade mittendrin im Guten.
- Kilian Benno Moll
- 24. Juni
- 2 Min. Lesezeit

Es gibt diese Tage, an denen plötzlich nichts los ist. Kein Anruf, keine Nachricht, kein Besuch, kein Plan. Einfach nur Stille. Und du. Vielleicht sitzt du da mit einer Tasse Kaffee, vielleicht liegst du noch im Bett oder gehst langsam durch die Wohnung, ohne Ziel, ohne Aufgabe. Und während du so durch den Tag gleitest, meldet sich ein Gedanke, ganz leise: Ich bin allein. Zuerst fühlt es sich vielleicht fremd an. Als hätte jemand etwas vergessen. Als müsste doch jetzt irgendetwas passieren, damit der Tag richtig beginnt. Und doch geschieht nichts. Es bleibt still. Und diese Stille, die man oft zu vermeiden versucht, bleibt einfach. Mit dir. Ohne Erwartung. Ohne Lärm. Ohne Kulisse.
Aber was, wenn genau darin etwas liegt? Nicht als Mangel, nicht als etwas, das behoben werden muss, sondern als eine Möglichkeit. Allein zu sein bedeutet nicht automatisch, einsam zu sein. Es kann auch bedeuten, dass du gerade nichts leisten musst, nichts erklären, nichts beweisen. Es gibt keine Rolle zu erfüllen, keine Geschichte zu erzählen. Du darfst einfach du sein. Ganz ohne Publikum. Ohne Maske. Ohne Ziel. Und in dieser Echtheit beginnt sich etwas zu bewegen. Manchmal kaum spürbar, wie ein Hauch. Du nimmst dich wieder wahr. Deine Gedanken werden langsamer. Deine Gefühle klarer. Vielleicht spürst du eine Sehnsucht, vielleicht auch einen Frieden. Beides darf da sein. Du musst nichts wegmachen, nichts sofort verändern. Nur da sein – mit dir selbst. Das klingt vielleicht ungewohnt. Aber genau in dieser Ungewohntheit kann etwas Heilsames liegen.
Denn Alleinsein ist nicht das Gegenteil von Nähe. Es ist ein Raum, in dem Nähe wieder wachsen kann – zuerst zu dir selbst. Und dann vielleicht auch zu anderen, mit mehr Klarheit, mit mehr Bewusstsein. Es geht nicht darum, das Alleinsein romantisch zu verklären oder so zu tun, als bräuchte man niemanden. Wir sind Menschen. Wir brauchen Verbindung, Austausch, Berührung. Aber wir brauchen auch immer wieder diese Zwischenräume. Zeiten, in denen wir uns nicht verlieren, sondern finden. In denen wir nicht rennen, sondern stehen bleiben. In denen wir nicht alles wissen müssen, sondern einfach wieder spüren, dass wir da sind.
Und wenn gerade niemand schreibt, wenn keiner anruft, wenn du heute Abend allein essen wirst oder durch die Straßen gehst ohne jemanden an deiner Seite – dann darfst du dich trotzdem als vollständig erleben. Nicht als Übergang. Nicht als Wartezeit. Sondern als jemand, der mit sich sein kann. Es ist erstaunlich, wie viel Stärke darin liegt. Wie viel Freiheit. Du beginnst, deine eigenen Gedanken ernst zu nehmen. Du merkst, was du brauchst – und was nicht. Du wirst feiner mit dir. Geduldiger. Und das verändert vieles. Nicht nur in dir, sondern auch in dem, was du ausstrahlst. Plötzlich entsteht etwas, das andere spüren: Da ist jemand, der sich selbst nicht mehr fremd ist.
Und vielleicht ist genau das der Anfang von etwas Neuem. Nicht laut, nicht spektakulär, aber echt. Eine neue Nähe. Eine Begegnung. Ein Gespräch, das sich nicht aufdrängt, sondern entsteht. Und wenn es noch nicht so weit ist – wenn du noch ein paar dieser ruhigen Tage brauchst – dann ist auch das in Ordnung. Du gehst deinen Weg, und der beginnt gerade bei dir.
Vielleicht ist das kein Alleinsein im klassischen Sinn. Vielleicht ist es gerade ein Ankommen. In deiner eigenen Mitte. Und das ist mehr, als viele je erleben.
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